Wir leben in komischen Zeiten – irgendwie schizophren. Wir haben hunderte digitale Kontakte, aber selten jemandem zum Reden. Wir Deutsche insgesamt werden immer reicher, aber bei vielen bleibt im Portemonnaie immer weniger übrig. Wir freuen uns über die Meinungsfreiheit, aber Facebook und Co kommen kaum nach, die Hasskommentare zu löschen. Wir bewundern Werbung, Blogger und Stars für den Lifestyle, aber wenn der Nachbar ein neues Auto bekommt, dann nagt innerlich der Neid. Wir suchen das perfekte Glück in Bildern auf Instagram, aber werden immer unzufriedener.
Was ist mit uns los – macht der ganze Luxus um uns herum womöglich gar nicht glücklich?
Vielleicht hilft eine Begriffsbestimmung. ,,Luxus“ (lateinisch für ‚Verschwendung‘, ‚Liederlichkeit‘, üppige Fruchtbarkeit‘) bezeichnet Verhaltensweisen, Aufwendungen oder Ausstattungen, welche über das übliche Maß, also den üblichen Lebensstandard hinausgehen bzw. über das in einer Gesellschaft als notwendig oder sinnvoll erachtete Maß. Luxus fasst damit Phänomene zusammen, die für einen großen Teil der Bezugsgruppe als erstrebenswert gelten. Deshalb ist ihr Tauschwert oft erheblich, das heißt der Preis für ihren Erwerb ist hoch und deshalb sind Luxusgüter meist nur auf der Grundlage einer entsprechenden Ausstattung mit Macht oder Reichtum zu erwerben. Weiter wird unterschieden zwischen materiellem und immateriellem Luxus.
Wir lernen also, dass nicht nur die Objekte unserer Begierde eine Rolle spielen, sondern auch die Bezugsgruppe. Luxus entsteht nicht aus sich selbst, sondern immer auch durch die erhoffte Bewunderung einer Bezugsperson oder -gruppe. Aha – das leuchtet mir ein.
,,War das nötig“ war die erste Reaktion meiner Mutter, als ich ihr stolz meinen neuen Sportwagen präsentierte – einfach ernüchternd. Also setzte ich mich mit der Frage auseinander, warum die Reaktionen auf mein neues Auto, das für mich die Erfüllung eines Kindheitstraums bedeutete, nicht so positiv ausfielen, wie ich mir das gewünscht hätte. Denn bei der Beschäftigung mit dem Thema kamen mir weitere Erfahrungen in den Sinn. Als ich das erste mal mit dem Auto zum Bäcker fuhr und vor der Tür auf meine Tochter wartete, erntete ich den ersten (Hass-)Kommentar: ,,Das Parkverbot gilt auch für Porsche.“ Seitdem wundere ich mich auch nicht mehr, wenn ich beim Einfädeln im Reißverschlußverfahren nicht in die Lücke gelassen werde, mir auf der Autobahn – egal wie schnell oder langsam ich fahre – immer jemand im Kofferraum hängt – oder andersherum – sich auf Abschnitten mit Tempolimit immer jemand vor mich setzt und penibel auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit achtet.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein Radiointerview mit dem deutschen Schauspieler Moritz Bleibtreu ein, der in SWR3 seinen neuen Film ,,Nur Gott kann mich richten“ promotete. Er führte im Talk mit Thees aus, dass ein Junge, der in der Oberschicht groß geworden ist und mit 16 Jahren eine Rolex geschenkt bekommt, dieses Statussymbol nicht wirklich wertschätzen könne.
Ein Statussymbol habe ja nur für den Bedeutung, der nie im Leben daran gedacht hätte, dass er es bekommt. ,,Wenn Du es trotzdem bekommst, dann wird das Statussymbol groß. Auf einmal bedeutet diese Uhr etwas – auf einmal bedeutet dieses Auto etwas. Wenn Du eh weisst, dass Du früher oder später mal so ein tolles Auto fährst, weil Deine Eltern es Dir schenken oder Dein Job so gut bezahlt wird, dann gibt es überhaupt keinen emotionalen Bezug zum Statussymbol. Was wir aus unserer bürgerlichen Sicht ,,Protzen“ nennen, ist dass Du etwas zeigst, von dem Du nie gedacht hättest, dass du es erreichen wirst. Deswegen sind Statussymbole so wichtig. Ich mag Statussymbole, trage teure Uhren und fahre dicke Autos. Ich gebe das auch gerne zu. Ich definiere mich nicht darüber – ich könnte morgen darauf verzichten – aber ich find das geil – weil ich verstehe, wo das herkommt. Das hat mit Protzen nichts zu tun und auch nicht mit angeben. Es ist sich selbst etwas zu zeigen, dass man etwas erreicht hat und den Leuten zu zeigen, die deine Sprache sprechen, dass Du etwas erreicht hast.“
Ich glaube, ich werde zukünftig den Begriff Luxus anders verwenden – und den sozialen Bezug aus der Definition streichen. Luxus ist für mich, dass ich mich für oder gegen Produkte, Dienstleistungen oder Vergnügen entscheiden kann. Ich kann mir ein bestimmtes Auto kaufen – muss es aber nicht. Ich kann öfters im Jahr in Urlaub fahren – weil ich mir die Zeit einteilen kann. Ich kann Freunde einladen – weil es mir Spaß macht.
Neid hat in diesem Zusammenhang nichts zu suchen, Toleranz ist Grundlage des unbeschwerten Lebens. Und so kann ich glücklich mit Luxus sein, weil ich meine Bewertung nicht von anderen abhängig mache. Auf die innere Einstellung kommt es an – das ist der Schlüssel zum Glücklichsein.